Hier ist der gesamte deutsche Text des Email-Interviews wie es übersetzt bei Google Blogoscoped erschienen ist. Ich schätze an einigen sprachlichen Freiheiten hat sich Philipp beim Übersetzen irreversible Hirnschädigungen geholt.
Hi Siggi! Kannst du uns was über dich erzählen… wer bist du, wo lebst du, und was machst du im Leben?
Ich treibe mich schon über 5 Jahrzehnte auf Terra rum, über weite Strecken in der rheinischen Tiefebene. In der Steinzeit habe ich mal Elektrotechnik studiert und war dabei Zeuge wie innerhalb von Jahresfrist dank Moore´s Law Taschenrechner vom finanziellen Äquivalent eines Kleinwagens auf das eines giveaways abstürzten. Soziologisch interessant zu beobachten wie dabei einigen Sozial-Prothesenträgern sozusagen der Porsche wegschmolz.
Ich bin dann aber in die Musik weggedriftet. Der geistige Brotbelag Naturwissenschaften hat mich in der Folge oft geistig, nicht finanziell weiter ernährt. So ein Rückrat lässt einen nicht so leicht einknicken, wenn ringsum nur Improvisation und (künstlerische) Einbildung tobt. Seit Ummpfz Jahren gebe ich auch Gitarrenunterricht, wobei es schon mal passieren kann das eine Party Go die ästhetische Ausbildung eines Gitarrenschülers abrunden muss.
Ende der 80iger entdeckte ich Engines of Creation von Eric Drexler (das immer noch nicht ins Deutsche übersetzt worden ist, weil es wahrscheinlich in einer uns unbekannten Sprache geschrieben wurde: Englisch!) und von da war es eigentlich nur ein kleiner Schritt für mich, aber ein großer für die Menschheit, zu kapieren das da mehr auf uns lauert als Klimakatastrophe 2100, Rentenkrise 2020 oder Peak Oil 2040. 1994 habe ich dann den ersten Vortrag über Nanotechnologie gehalten, der den leider inkosequenten Schluss hatte, die Folge aus allem, nämlich besagte technologische Singularität nur so hinzunuscheln. Ich dachte mir: Das kannst du nicht machen! Sonst wirst du nie wieder auf eine Party eingeladen. Schliesslich ist ja das measured merryment (Sinclair Lewis) Garant für measured gratification.
3 Jahre später hab ich mich auf Drängen des Künstlers Stefan Zöllner breitschlagen lassen den ersten expliziten Singularitätsvortrag auf deutschem Boden zu halten. Ort: Die Ausstellung „1997 ….. Ausstellung, Forum, Labor“ in Köln. Eröffnungsvortrag: Die technologische Singularität. Resonanz: von ähh bis boah. Einige heruntergeklappte Unterkiefer und ein betrunkener Szeneschriftsteller, der wähnte sein Leben hätte fortan wieder Sinn. Er hat später den Begriff „Singularität“ 2 mal in seinen Schriften verwendet. Oh, Fortschritt!
Was ist Peak Oil?
Der Punkt ab dem weniger Öl gefördert werden kann, als konsumiert werden muss. Ab da wirds haarig. Die einen sagen der war schon, die anderen wünschen ihn sich in die Zukunft. Mithin: keiner weiss was genaues, und die Ölkonzerne werden einen Teufel tun uns genaue Zahlen im Abendprogramm zu liefern.
Kannst du den Titel deines Blogs erläutern, „Was Wyrd“?
Eigentlich erklären ja immer nur Mädchen Witze, aber da es ja kein Witz ist, kann ich es auch erklären. Obwohl es nicht erklärbar ist und obendrein wenig witzig, dieses Wyrd, nur lebbar. Wer den Begriff googled, landet mitten in Räucherstäbchenland, aber auch in Mythologie und Ethymologie. Das Netz des Schicksals. Die drei Hexen bei Macbeth. Die Moiren, die Nornen. Son Kram halt. Fasst man den Begriff symbolisch auf, mapped ihn rückwärts auf das Netz und lässt ihn dann in den eigenen Lobi aufschlagen, sind die Ähnlichkeiten zu Blogs oder dem Netz schon erstaunlich. Auch die ethymologische Herkunft von „werden“ aus diesem „wyrd“ ist erstaunlich. „Werden“ als abgeleitetes Wort von wird (wyrd) schlägt dann auch den Bogen in die Zukunft, und was wyrd schliesslich mehr als die Zukunft? Man geht auf ein Web 2.0 Treffen, trinkt viel gelbes Wasser ohne Geschmack und das Nächste was man wahrnimmt, sind abgerauchte Logfiles.
Womit befasst sich dein Blog? Und wie ist das Feedback auf deinen Blog?
Die Kategorie mit den häufigsten Einträgen dreht sich natürlich um die sich beschleunigende technologische Entwicklung. Ich picke mir Indizien aus dem Strom der News heraus, die auf die Beschleunigung hinweisen oder ich stelle Überlegungen an welchen Stellenwert wir in einem derartigen Szenario haben oder haben könnten. Meine früher naiv-positve Einstellung hat sich im Laufe der Jahre differenziert, gerade auch wenn man bemerkt wie die weltweite, ständige Vermögenskonzentration einerseits ein notwendiger Motor der technologischen Beschleunigung und Komplexifizierung (um einen Begriff von Teilhard de Chardin zu benutzen) ist, andererseits auch zu einer transhumanen Getthoisierung der Reichen und Superreichen führen könnte. Mein neuestes Hobby: Econophysic. Check it out! Passt genau in diesen Rahmen.
Was das Feedback auf meinen Blog anbelangt, fällt mir ein schöner Vergleich mit einem running Gag bei Garfield ein. Er steigt auf den Zaun, singt und wird mit Müll beworfen. Schön und gut. Kann man verstehen. Eines Abends steigt er auf den Zaun, singt und nichts passiert. Sein Kommentar dazu: I can hear you breath. So gehts mir. Steigende Leserzahlen, gesundes PR, fettfreies Design, kaum Kommentare. I can hear you breath. Klicken sich mitunter runter bis ins letzte Zipfelchen und ziehen schweigend von dannen. GandhiCon 1, schätze ich mal. 😉
Was ist „Econophysik“?
Eine fruchtbare Fusion aus Physik und Ökonomie. Irgendwem ist Anfang der 90iger aufgefallen das Menschen in Massen Ähnlichkeiten mit dem Verhalten von Gasen haben und hat begonnen das, was wir über Gase wissen auf die Sphäre der Ökonomie anzuwenden. Mit verblüffenden und auch desillusionierenden Ergebnissen. Eine tief verinnerlichte Maxime westlicher Gesellschaften ist ja, das Einkommen mit einem der wertgeschätzten Merkmale wie Leistungsfähigkeit oder Intelligenz korreliert. Econophysiker können aber leider nachweisen das dem nicht so ist. Pareto ist also Ideologie. Man verdient nicht was man verdient. Einkommen ist in den Staaten, in denen es gut dokumentiert ist, zufällig verteilt. Und zufällig heisst: es korreliert mit keinem Merkmal. Keinem. Bittere Pille.
Ich interpretiere dies so: was man anstreben kann, ist eine Rolle, eine Aufgabe oder einen Beruf. Niemand kann jedoch unter den herrschenden Bedingungen eine Korrelation von Intelligenz und Vermögen garantieren. Interessanterweise sind natürlich erfolgreiche Menschen die ersten die einem an dieser Stelle an die Gurgel gehen. Müssen sie ja auch. Schliesslich ist diese Korrelation zutiefst in unseren inneren Gesellschaftsvertrag eingebrannt. Leider vergessen sie dabei wieviele gleich intelligente und mörderisch schuftende Mitbewerber es auf der gleichen Piste nicht geschafft haben.
Oberhalb einer gewissen Einkommensgrenze, die in westlichen Staaten bei circa 100000$ liegt verselbstständigt sich Vermögen und diese Menschen werden sozusagen aus dem „endlichen Spiel“ (JP Carse) herausgenommen.
Großartige Informationen findet man auf der Seite einer Konferenz aus dem März 2005 in Kalkotta mit allen Vortägen.
Wie viel Zeit investierst du zum bloggen?
Oft wenig, mitunter mehr, aber meist genug. Vielleicht demnächst mehr, da ich keine Möglichkeit sehe, der Konfrontation mit dem englischen Sprachraum auszuweichen. 😉
Die Singularität ist ein wichtiges Thema bei dir. Kannst du für Neueinsteiger beschreiben, was Singularität bedeutet?
Per Definition bezeichnet der Begriff den Punkt in der Zukunft, in dem eine künstliche Intelligenz geschaffen wird, die größer als die menschliche ist, und sich dann beginnt rekursiv zu verbessern. Der sich beschleunigende technologische Fortschritt, zumal und offensichtlich in der Halbleiterindustrie, ist eine, aber keine notwendige Beobachtung das irgendetwas in dieser Richtung erwartet werden kann. Diese Beobachtungen gehen bis in die 20iger Jahre zurück, siehe Teilhard de Chardin. Großer anderer Bezugspunkt wäre in dem Zusammenahng de Solla Price. Wichtige Begriffe sind dort alle schon abgehandelt. Nicht das jemand meint Ray Kurzweil is da mähn 😉 . Das Thema liegt also seit hundert Jahren in der immer dicker werdenden Luft, einzig das die globale geistige Klimaanlage für eine höhere Rotationsgeschwindigkeit des Mievs sorgt.
Du bist Mitglied einer Mailing-Liste zu dem Thema Singularität, oder? Ist die auf englisch? Über was wird da so diskutiert?
Nö. Ich verfolge nur einige Listen, insbesondere SL4 bei Yudkowsky. Ich würde nie auch nur wagen da Piep zu sagen 😉 Unter IQ 140 läuft da rein garnichts. 😉
Hattest du persönlich schonmal Kontakt zu Eliezer S. Yudkowsky, Autor von „Staring into the Singularity“? Welche anderen AI-Experten interessieren dich?
Trockenes „Ja“. Eine Email im Jahre 98 oder so. Seine Anwort war logisch einwandfrei, hat mich aber nicht verführt mein Herz weiter auszuschütten.
Denkst du, wir werden diesen Wendepunkt (oder Endpunkt) einer technischen Singularität noch erleben? Denkst du, es muß so kommen – oder ist es nur eine von verschiedenen Möglichkeiten?
Ich muss immer daraufhinweisen, gerade wenn diese Begrifflichkeiten auf zu überschäumenden, jugendlichen Boden fallen, das die technologische Singularität ein Szenario unter vielen, mit einer uns unbekannten, gewichteten Wahrscheinlichkeit ist. So, das wäre der Cooler. Der Upper ist, das ich persönlich und einige andere illustre Persönlichkeiten auf Terra dieses Szenario allerdings für verdammt wahrscheinlich halten. Wenn Leute wie Yudkowsky oder Goertzel oder das unbekannte Genie in China reinhauen, könnten wir es erleben. Bei mir könnte es knapp werden, vor allem wenn ich meine Ernährung nicht in den Griff bekomme, aber alle um die 30 werden wir vielleicht nie wieder los.
Macht die Singularität denn unsterblich?
Nicht unbedingt. Vorübergehend kann es zu extremer Langlebigkeit führen. Projekte wie die Methusaleh-Mouse von Aubrey de Grey streben ja genau das an. Unsterblichkeit ist wohl illusorisch. Schliesslich kann niemand garantieren, das nicht eine Supernova in der Nähe Schluckauf bekommt und ihren Vorhof kurzerhand sterilisiert.
Zum Thema Unsterblichkeit, denkst du, das Web macht uns unsterblich mit den Informationsspuren, die wir hinterlassen? Oder beschleunigt es eher den Verfall unserer Spuren, und wir täten besser daran, unsere Gedanken in eine Steintafel zu hämmern?
Unter der Voraussetzung, das die Speichermedien nicht schlapp machen, werden wohl viele Spuren lange, sehr lange erhalten bleiben und irgendwann die Rekonstruierbarkeit einer Person in gewissem Rahmen möglich machen. Unter diesem Gesichtspunkt kann man vielen Teeniebloggern nur wünschen das sie nie mit dem Bloggen aufhören. Paradoxerweise genau das Gegenteil was man beim Lesen empfindet.
Eine Frage zur technischen Singularität. Ist es nicht so, das Menschen immer noch umlenken könnten, wenn es mal soweit ist – oder werden wir das garnicht wollen? Ist es eine positive Entwicklung?
Kann eine Ameise einen Elefanten einsperren? Nein. Die Ameise kann aber, wenn sie das Reissbrett rausholt (Autocad 826.9) sich über die Problematik im klaren sein und dafür sorgen das der Elefant, den sie entwerfen will ein netter Elefant ist. Vom Start weg. Alles andere wäre (nein: ist) Dexter´s Lab und das Rentenproblem löst sich für ewig.
Das mit den jungen Bloggern erinnert mich an unsere Diskussion, dass es später Analysesoftware geben wird, die eben aus Blogarchiven ein psychologisches Profil erstellt. Denkst du sowas wird kommen, und wird es die Leute tatsächlich bedrohen?
Heute ist Mittwoch, 2 Tage nach Google Analytics. Ein Service, der umsonst und von Google für Millionen geleistet werden kann. Was heute mit einem einzelnen Datenpool auf einem Supercomuter gemacht werden kann wissen wir nicht. Durch den time-lag zwischen Supercomputern und Desktop von ungefähr 10 Jahren, können wir nur ahnen was ein Personalchef 2015 zwischen 2 Sushis mit dem Profil von Tanja oder Jan machen wird…
Was begeistert dich am Web – und was vergrault dich eher?
Da das Web riesig groß ist und das mal 2, ist es eigentlich der perfekte Spiegel. Mithin befinde ich mich seit meiner ersten Begegnung mit Gopher und Veronika im Zustand einer tunnelrealitätsinduzierten Euphorie bezüglich dieses Interdings. Das Web ist so wie man selbst: Leute, die vom Leben nichts erwarten, finden nie was, ausser Porno. Die Sucher, Frager und Wissensarbeiter brauchten in den 90igern 3 Millisekunden um zu erkennen das es für sie gebaut wurde. Vergraulen? Hm. Da wir es mit einem Netz in Netzen zu tun haben, wird man eigentlich immer nur in eine andere Untermenge „vergrault“. No way out.
Du kennst Gopher, das heißt du hast dich recht früh im Web getummelt. Was war denn bei dir so ein einschneidender Moment, wo du dachtest „Aha, hmm, das könnte ja was werden hier“?
Eben der Moment nachdem ich die Unfähigkeit überwunden hatte in einem Gopher zu manövrieren. Peng! Wer das nicht sofort kapiert hat, der hat auch noch 1997 gefragt: Ja, aber was soll das? Jeder hat diese Gespräche zwischen 1995 und 2000 mit Leuten im Bossanzug und braungebranntem Realistengesicht geführt. Im Kern war es aber im Gopher schon erkennbar. Ach Gott, im CCC haben Leute das erkannt, da gabs noch Akustikkoppler. Und Douglas Engelbart langweilt sich doch schon seit 30 Jahren 😉
Meine These: Die wichtigen Sachen erkennt man mit Überlichtgeschwindigkeit. Das ist wie Hallo-sagen! Wer etwas nicht derart kapiert, muss auf Managementseminare, Unternehmensberater einkaufen oder sich von Tom Peters beleidigen lassen.
Was interessiert dich an Google, und denkst du, es gibt konkrete Zusammenhänge zur Singularität?
Nicht was sie sind, sondern wo das hinführt. Das was Google ist, ist Alltag. Das was Google wird, ist Science Fiction: die Rache der Geeks! Und der ultimative SF-Plot ist nun mal die technologische Singularität. Das der Begriff den Herrschaften bekannt ist, kann man aus dem Netzwerk und aus den Profilen der Leute herauslesen, die Google in den letzten Jahren eingestellt hat. Und wenn bei denen irgendjemand „exponentiell“ bloss buchstabieren kann, werden wir auf jeden Fall noch ein paar mal überrascht werden. Aber erst nach Weihnachten.
Welche Blogs liest du selbst so? Und welche „Offline“-Autoren liest du?
Im Feed bei Bloglines sind circa 300 Blogs. Das tötet enorm den Geist. Denken braucht wirklich Zeit. Ich müsste da mal jäten. Die ganzen Wiederkäuer und Linkblogs löschen. Lieber 10 Verdauerblogs als dieses Rauschen, das man für Geschwindigkeit halten könnte.
Teilhard de Chardin. Immer wieder, wenn ich tanken muss. Seine religiösen Implikationen blende ich allerdings einfach aus, denn seine Beobachtungen funktionieren auch ohne.
Ken Wilber nicht mehr so viel. Es ist ganz nett ein Stufenmodell für die geistige Entwicklung des Menschen zu haben. Ich glaube aber das selbst das maximalste Niveau in einem maximalen psychologischen Entwicklungsmodell immer nur Human 1.0 bleiben kann. Und bis alle unbehaarten Zweibeiner dieses Niveau erreicht haben, könnte unserem kleinen gelben Sternchen das Licht ausgehen.
Ansonsten habe ich wohl mehr Bücher vergessen als andere gelesen haben. Und wenn mir mal wieder langweilig wird, lese ich ein paar Zeilen Rilke.
„Denn das Schöne ist nichts als des Schrecklichen Anfang, den wir noch grade ertragen, und wir bewundern es so, weil es gelassen verschmäht, uns zu zerstören.“
Welche von den 300 Blogs sind denn für dich die interessantesten?
Moment, ich schau mal. Dave Pollard? Global Guerillias. Future Now. The Speculist. Robotic Nation. Aber das kann sich morgen schon ändern. Jeder weiss das. Ich bin immer auf der Suche nach Blogs in denen verarbeitet, nicht nur berichtet wird. Menschliche Linkmaschinen meide ich.
Mario Sixtus ist ja auch sehr aktiv im Web. Kennst du ihn aus dem Real Life oder aus dem Web?
Aus dem Meatspace. Wir haben uns 97 oder 98 kennengelernt und mit seiner Hilfe habe ich 98 wieder mal meinen Standard 2.0 Vortrag über die Singularität halten können. Mit Kaffee und Kuchen und handgeklatschten Folien. Und wieder in einem Künstlerverein. Da lauert irgendwo eine Lektion…
Gehst du öfters auf Web-Treffen, wie neulich in Köln? Gibt es eine Digerati-Szene in Düsseldorf?
Auf einigen Bloggertreffen wurde ich schon gesichtet. Und Digerati-Szene brauchen wir nicht. Wenn Mario und ich zusammensitzen reicht das.
Wirst du auf dem nächsten Webmontag dabei sein, so er denn stattfinden sollte?
Vielleicht. Vielleicht nicht.
Was ist für dich Web 3.0?
Eine Hausnummer unter vielen. Eine ironisierende Retorte auf Web 2.0. Wie kann man Wasser festhalten? Das ist Kartondenken. Und Kartons sind immer in der Versandabteilung zu finden. In keinem Labor findet man Kartons. Wir leben im Labor.
Denkst du es gibt einen grundsätzlichen Unterschied zwischen der deutschen und der englischen Blogwelt, von Sprache und Menge der Blogs einmal abgesehen?
You can bet! Irgendwas klappt da nicht mit dem deutschen Naturell und Blogs. Es zündet nicht. Wie soll man es auf eine griffige Formel bringen? Vielleicht mit Lenin: „Wenn der Deutsche einen Bahnhof stürmt, dann löst er erst eine Bahnsteigkarte.“
Du hast in deinem Blog Google Earth in Zusammenhang gebracht nicht nur mit Geographieunterricht, sonder auch mit Spiritualität und Bedeutung. Kannst du das erläutern?
Dissoziation. Der Overview-Effekt. Bekannt von Astronauten, die plötzlich da runter schauen, und denen der Verstand in die Hose rutscht. Das kleine runde Ding auf dem wir hausen wird plötzlich fassbar. Die Grenzen, die in jeder Tageszeitung morgendlich errichtet werden verschwimmen und wir pendeln in Google Earth zwischen den Details unserer Geschichte und dem großen Überblick über unsere wirkliche Heimat: ein kleiner blauer Planet ohne Grenzen. Wen das nicht Sinn und Bedeutung lehrt, der muss in die Armee eintreten, Drogenhändler werden oder sein kleinliches Wüten zur Religion erheben.
Es gibt Leute, die sagen, das sich grundsäztliches menschliches Verhalten durchs Internet nicht verändert hat. Stimmst du zu?
Wie ich schon sagte, das Internet ist durch seine Größe ein Spiegel. Wer sein Spielgelbild nicht überwinden kann, ist dazu verdammt sich zu einem übergroßen Zerrbild zu entwickeln. Das Gute wird noch besser, das Schlechte wird zum Bösen. Alles im Netz. Live hier und jetzt.
Hattest du in den letzten Jahren ein „A-ha“-Erlebnis im Web? Vielleicht die erste Sichtung eines Blogs, eines Wikis, oder …
Ich glaube Blogs habe ich innerlich erwartet. Etwas Natürliches, das der Technologie innewohnte. Bei WiKis habe ich gezuckt und gejubelt. Der Bruch hin zur Unkontrollierbarkeit für alle Comand-und-conquer Strukturen auf dieser Welt hat mich tief befriedigt.
Ich würde gerne einen Kommentar haben von dir zum Thema…
Creative Commons?
Abgerechnet wird zum Schluss.
… „Du Bist Deutschland“?
Gini-Index und Boltzmann-Gibbs.
… Prädeterminismus?
Karma?
… luzides träumen, oder Traumtagebüchern?
An old habbit. Luzides Träumen relativiert das Attribut Real. Gute Lektion.
Ich glaube, fast alles verstanden zu haben – und bin wehmütig geworden.
Mein Urgroßvater hat seine Schindeln noch selber machen können. Wie abhängig müssen wir werden?
Schindeln selber machen!? Pah! Auch Dein Urgroßvater war schon ein Symbiont.
Nur, daß wir uns vom Symbionten zum Holoparasiten entwickeln. Das wird nix mehr.
Ich würde uns nicht gleich mit einer Schuppenwurz vergleichen, und gänzlich dunkel ist es nun auch nicht gerade dank unserer werten Existenz. Immerhin sind ständig Lichtspender unter uns. Auch wäre eine Schuppenwurz nie imstande zu ihrem eigenen größten Kritiker zu werden. Ibsen, Wildgänse letzter Akt: Die Sonne, die Sonne!
Es gibt nur zwei sinnvolle Antworten auf die technische Singularität:
1. Es wird sie niemals geben.
2. Es hat sie schon immer gegeben.
Sie bleibt wie jeder Messianismus und jede Apokalypseprophezeiung ein Versprechen oder eine Drohung oder beides. Sie ist reine Metaphysik, vielleicht aber eine notwendige …
@1: Eine von mehreren, möglichen Wetten; man kann Gründe finden. Hat selbst Hr. Vinge schon gemacht.
@2: Turtles all the way down. Die Galouye-Variante.
folgt 2.1: In unserem System bliebe sowas zu schaffen (sofern man es als wünschenswert erachtet).
@Messi &Apo: Derartige Eschatologien erwarten vom Anhänger das er sich verkrümelt, nen Wasservorrat bunkert und ansonsten still hält. Oder um humorig mit Charles Stross /Tipler zu antworten: In diesem System/ Universum existiert NOCH kein Gott, die Kiste müsste also noch gebastelt werden. Und das ist die aktive Komponente im Singularitäts-Konzept: Bau es oder bau es nicht. Daran scheitern wäre auf jeden Fall der großartigste Job im Umkreis von 12,7 Lichjahren. 😉
Grandioses Scheitern. Das gefällt mir. Wo kann ich anfangen? 😉
Überall. Und vor allem nicht BWL studieren 😉
Meine Maxime in dieser Hinsicht: Wissen muss fli(e)ssen! Beschleunigung der Beschleunigung!
ad econophysics: Nur weil die Verteilung des aggregierten Einkommens bestimmten (analytischen) Verteilungen ähnelt, bedeutet das noch lange nicht, dass die einzelnen Individuen (Atome) keinen Einfluss auf ihr Einkommen haben. Stellen Sie Sich einen Hund vor, der ein Gaußsche Irrfahrt (Random Walk) durch einen Park macht. (Eine Gaußsche Irrfahrt ist unprognostizierbar). Derjenige, der den Köter Gassi führt (an einer Leine), macht ebenfalls eine Gaußsche Irrfahrt. Wenn ich aber die Trajektorie des Hundes kenne, dann kenne ich auch die Trajektorie des Besitzers, obwohl diese für sich genommen eigentlich das Ergebnis eines unvorhersehbarer Zufallsprozesses ist. Oder denken Sien an das (primitive) lineare Regressionsmodell. Da kann die zu erklärende Variable auch irgendeiner Verteilung folgen, trotzdem kann ich ich ihre Variation durch einen Regressor teilweise erklären…
Irgendwie habe ich den Eindruck, als würden Sie mir Ihrer Aussage Umverteilung vermarkten wollen. Vielleicht überlegen Sie Sich einmal in Ruhe an einem verregneten Sonntag (he he), warum das durchschnittliche Einkommen in Deutschland viel niedriger ist als in den USA. Und ob ein Verringern der „Einkommensvarianz“ sich nicht am Ende nachteilig auf jene auswirken kann, denen ursprünglich geholfen werden sollte.
ad ad: Es sind ja nicht irgendwelche Ähnlichkeiten mit einer irgendwie gearteten analytischen Verteilung, wie ich die Herrn Yakovenko, Mimkes oder Lux verstehe, sondern die Beschreibbarkeit der Einkommensverteilung mit Boltzmann-Gibbs, unterhalb von circa 100k. Und das ist eben genau das Gegenteil von Einfluss aufs Einkommen. Das mir das zuwider ist, ist klar. Wenn Sie können machen Sie das bitte wech 😉
Wie ich das verstehe, dürfte Boltzmann-Gibbs nie nicht zur Anwendung kommen dürfen, wenn es nur irgendeine klitzekleine Korrelation mit einer persönlichen Eigenschaft gäbe. Oder? Sie verzeihen, ich muss fragen, da ich schlappe 10IQ Punkte unter Ihnen stehe 😉
Das jeder seinen finanziellen Erfolg nachträglich persönlichen Eigenschaften zuschreibt ist schon menschlich.
Zum Eindruck, Umverteilung vermarkten zu wollen: Mein Standpunkt ist zwiespältig differenzierter. Ungleichverteilung ist ein Motor des technologischen Fortschritts, die Carnotsche Pumpe sozusagen. Bitter, wenn man so etwas wie die technologische Singularität oder sogar nur den einfachen, täglichen technologischen Fortschritt für erstrebenswert hält. Die politische Frage ist allerdings: Welchen Gini-Index wollen wir tolerieren um an die tollen Errungenschaften zu kommen? 0,5? 0,6? Brasilien soll 0,58 haben (UNDP), und da kann das Brötchenholen schon mal tödlich verlaufen. Wieviel ist zuviel?
Unter http://del.icio.us/tag/Econophysics sind einige Links zu finden.
Vorweg : Errata :: Bitte in meinem vorangegangenen Eintrag „Verteilung des aggregierten Einkommens“ durch „Verteilung der individuellen Einkommen“ ersetzen.
>> …die Beschreibbarkeit der Einkommensverteilung mit Boltzmann-Gibbs, unterhalb von circa 100k. Und das ist eben genau das Gegenteil von Einfluss aufs Einkommen Individuen haben keinen Einfluss auf ihr Einkommen“ würde ich gerne sehen…
>>Wie ich das verstehe, dürfte Boltzmann-Gibbs nie nicht zur Anwendung kommen dürfen, wenn es nur irgendeine klitzekleine Korrelation mit einer persönlichen Eigenschaft gäbe>Sie verzeihen, ich muss fragen, da ich schlappe 10IQ Punkte unter Ihnen stehe>Das jeder seinen finanziellen Erfolg nachträglich persönlichen Eigenschaften zuschreibt ist schon menschlich
Vorweg : Errata :: Bitte in meinem vorangegangenen Eintrag „Verteilung des aggregierten Einkommens“ durch „Verteilung der individuellen Einkommen“ ersetzen.
| …die Beschreibbarkeit der Einkommensverteilung mit Boltzmann-Gibbs, unterhalb von circa 100k. Und das ist eben genau das Gegenteil von Einfluss aufs Einkommen|
Den Beweis von „Einkommen ist Boltzmann-Gibbs-verteilt => Individuen haben keinen Einfluss auf ihr Einkommen“ würde ich gerne sehen…
|Wie ich das verstehe, dürfte Boltzmann-Gibbs nie nicht zur Anwendung kommen dürfen, wenn es nur irgendeine klitzekleine Korrelation mit einer persönlichen Eigenschaft gäbe|
Das individuelle Einkommen kann relativ gut durch Größen wie Ausbildungsdauer, IQ, Einkommen der Eltern, … erklärt werden. Da diese Größen jedoch voneinander abhängig sind (zB IQ auf Ausbildungsdauer), ist bloß eine genaue Zuordnung der einzelnen Effekte auf das Einkommen nicht möglich (i.e. geschätze Parameter haben eine immens hohe Varianz). Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass ich durch Kentniss dieser Größen im Schnitt sehr gut das Einkommen prognostizieren kann.
|Sie verzeihen, ich muss fragen, da ich schlappe 10IQ Punkte unter Ihnen stehe|
Mittlerweile sind mir diese Einträge peinlich… ;-D. In der Zwischenzeit hab ich wahrscheinlich eh schon die 100er-Marke durchbrochen. Die Intelligenz ist a Vogerl. Prost.
|Das jeder seinen finanziellen Erfolg nachträglich persönlichen Eigenschaften zuschreibt ist schon menschlich|
Ich würde behaupten, dass nur bei den reichsten 3% (für die nun die Pareto-Verteilung gelten soll…) der Zufall eine übergeordnete Rolle gespielt hat. In der Ökonomie findet man da sicherlich auch einige interessante Arbeiten in der Abteilung „Economics of Superstars“ (minimale Unterschiede im Talent führen zu gewaltigen Unterschieden im Einkommen/ winner takes all). Was man nicht vergessen sollte: 1. In vielen Fällen hängt die Höhe des möglichen Ertrags vom eingegangenen Risiko ab. Von den Verlierern hört man jedoch selten 2. Das Einkommen ist keine fixe Größe, d.h. kein Kuchen, der augeteilt werden muss.
Späte Fortsetzung. Weitere fachliche Quellen zum Thema Econophysic im Springer Verlag:
Econophysics of Wealth Distributions, Eds. A. Chatterjee, Y. Sudhakar and B. K. Chakrabarti, New Economic Windows Series, Springer-Verlag Italia, Milan (2005)