Na also: Google und Genetik!

Der neue Dienst 23andMe, den Anne Wojcicki und die allgegenwärtige Esther Dyson vor ein paar Tagen gestartet haben, ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Zum einen, weil damit eine Art Undercover-Crossover zwischen Google und Gentechnik eingeläutet wurde, zum anderen weil es ein schönes Beispiel für die Dynamiken abgibt, die sich durch die zunehmende Ungleichverteilung von Vermögen und Einkommen in den westlichen Staaten ergeben werden.

Es dreht sich nämlich nicht darum das der durchschnittliche westliche Bürger im Jahre 200X luxuriöser als im Jahre 100X lebt, sondern das der überdurchschnittlich verdienende Bürger des Jahres 200x sich informationspraktisch und gesundheitlich mit Riesenschritten von der unterdurchschnittlichen Masse entfernen kann. Die Mittel dafür existieren jetzt, nicht irgendwann. Wenn 50% der Deutschen überhaupt kein Vermögen besitzen um zu sparen, dann haben sie auch keine Mittel um zum Beispiel einen Dienst wie 23andMe zu nutzen um Gesundheitsrisiken vorzubeugen oder massgeschneiderte Medikamente zu beziehen, wenn in ein paar Jahren das 1000$-Genom machbar sein wird.

Niemand wird in naher Zukunft in Deutschland verhungern, und warmes Wasser wird noch längere Zeit aus der Wand kommen, aber ich befürchte die Folgen der zunehmenden Ungleichverteilung werden schleichend an den Grundlagen unserer Gesellschaft nagen.

Welche Folgen hätte es für die Stabilität einer Gesellschaft, wenn sich die Lebensqualität und Lebenserwartung kleiner Teile der Bevölkerung sichtbar erstaunlich verbessert, während der Großteil immer noch glaubt es wäre normal mit etwas Glück 80 zu werden und Alzheimer oder Parkinson zu bekommen?

9 Gedanken zu „Na also: Google und Genetik!“

  1. Mein Gott, ich bin selber relativ Arm, und muss sagen, es war schon immer so, in jeder Hinsicht haben als erstes eher die Vermögenden zugang zu neuen Technologien. Sie haben es sich ja auch (zum Teil) durch besondere Leistung verdient.

    Aber ein Paar jahre später werden die Preise für die neuen Behandlungen sinken und eher zugänglich für die Algemeiheit.

    Wir sollten froh sein, dass es Menschen gibt, die jedem Teuren trend hinter her rennen. Sie beschleunigen den Fortschritt und helfen so indirekt der Algemeinheit.

    Ich habe gelsenen das auch Kassenpatienten von den Privatversichterten provetieren. Krankenhäuser kaufen neue Geräte um damit Privatversicherte anzuziehen, und natürlich kommen (mit mehr Wartezeit) auch die Pflichtversicherten in den Genuss dieser Maschinen.

    Es ist nicht „Nett“ aber OK.

  2. Das etwas immer so war, heisst nicht das ich es auch automatisch gut heissen muss. Da bin ich utopisch trotzig 😉

    Die Hoffnung, das die Kosten sinken werden, teile ich natürlich, man darf aber auf der anderen Seite die beiden Trends: Reduzierung der Gesundheitsleistungen in den gesetzlichen Versicherungen (ich sach nur zB Pftähne) + in den westlichen Staaten die Verschärfung der Vermögensungleichverteilung nicht ignorieren.

    Ein weiterer Punkt ist, das in den nächsten ca 10 Jahren mit teuren aber radikalen Entwicklungen zu rechnen ist (Genetik, Prothetik, Robotik, Organe) die nicht unbedingt billig werden müssen oder können, weil die Population der Wohlhabenden bis Reichen auf Terra riesig ist – in absluten nicht relativen Zahlen. Germany soll Gerüchten zu Folge alleine 1 Mio Millionäre haben.

    Meine Befürchtung ist also das sich weltweit eine nicht unerhebliche Anzahl von Menschen in transhumane Reichenghettos verabschiedet. Circa das Eloi-Szenario von Greg Egan.

    Muss nicht – kann aber. Immer locker bleiben und in multiplen Zukünften denken ;-),

  3. Ich sehe 23andme in erster Linie als Social Networking Plattform und starken Mitbewerber von smallworld. hinrichsche funktionen wuerden wahrscheinlich so aussehen:

    – Wer wird im gleichen Jahr wie ich erkranken
    – Finde andere Mitglieder in meinem Umkreis mit x Vulnerabilitaet
    – Lebensversicherungen, welche mit Garantiesterbedatum besonders interessante Premien haben

    Die Google Investition ist wohl eher Neugier oder Diversifikation.

  4. Ich wees nicht. In dem Marktsegment ist ja nicht nur 23andMe gestartet, sondern auch zB Navgenics und deCode.is . Irgendwo im Hintergrund wurschtelt noch Microsoft rum. Meine (oberflächliche) Einschätzung: Die Herrschaften wissen das Genetik der Knaller in ca 5 Jahren ist. Warum? Weil Firmen wie Nanophotonics Biosciences versprechen in ein paar Jahren ein komplettes Genom in weniger als 1ms lesen zu können. Und wer dann den Vorsprung eines möglichst großen Kundenstamms hat, sitzt auf Gold für das Zeitalter der personalisierten Medizin. Der Quatsch mit „Social“ ist jetzt nur der buzzwordige Türöffner um da jetzt reinzukommen.

  5. Das Interessante hier ist doch die Frage, warum der Forschritt der Menschheit nicht auch das Verschwinden der Ungleichheiten mit sich bringt.

    Große Unterschiede zwischen Arm und Reich gab es schon immer. Aber sie scheinen nicht abzunehmen, sondern eher zu wachsen. Und zwar sowohl intra- als auch inter-gesellschaftlich.

    Irgendwie erinnere ich mich da noch an den Begriff der „nivellierten Mittelstandsgesellschaft“, die man in den 80er Jahren insbesondere in skandinavischen Ländern als realisiert ansah. Davon spricht heute keiner mehr, oder?

  6. Weil Fortschritt und Ungleichverteilung gleichsam synomym sind. Ohne Ungleichverteilung kein fortschreiten, dh Streben nach Gleichverteilung, egal ob Energie, Vermögen, Fähigkeiten. Stichwort Econophysic.

    Eine andere Frage wäre: Wieviel Ungleichverteilung ist gerecht? Siehe Gini-Index. Diese Frage muss täglich politisch gelöst werden. Die starke Korrelation zwischen Gewalt und Gini-Index auf der einen Seite und Erstarrung auf der anderen gilt es im gesellschaftlichen Prozess zu lösen. Im MOment sieht es allerdings weltweit so aus, also ob Technologie die Ungleichverteilung seit Jahrzehnten bloss verstärkt.

  7. zitiere: Eine andere Frage wäre: Wieviel Ungleichverteilung ist gerecht?

    setze: apart vom gini-index und nicht zu dimensional – welche Gerechtigkeit von welcher Authoritaet gegen was gemessen ?

  8. Das mit der Definition von Gerechtigkeit kann man vielleicht erstmal aussparen und einfach auf die Korrelation zwischen Gewalt und Gini-Index hinweisen. Die Masse weiss schon wanns nimma erträglich ist. Brasilien Gini ~0,58: Geh da mal nach Einbruch der Dunkelheit Zigaretten holen.

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